Als Jane Brody vor 15 Jahren von einer Freundin eingeladen wurde sich einer Strickgruppe anzuschließen, war sie anfangs eher skeptisch. Auf ihre Frage „Wann sie das denn machen sollte?“ antwortete man ihr ohne weiteres: „Montagnachmittag um 4 Uhr.“
Auf diese prompte Antwort blieb ihr gar nichts anderes übrig als dem Ganzen eine Chance zu geben.
Janes Mutter brachte ihr bereits mit 15 Jahren das Stricken bei. Während dem College und für ein paar Jahre darauf machte sie sich das Stricken zum Hobby. Dann folgten Jahrzehnte in denen sie kein einziges Mal die Stricknadel in die Hand nahm.
Aber nach 2 Montagen in der Strickgruppe war Jane wieder in ihrem Element und lernte neben dem Stricken sogar noch Häkeln. Wie sie selbst sagte, war sie auf dem Weg qualitativ hochwertige Fertigkeiten zu entwickeln.
In dieser Zeit fertigte sie unzählige Babydecken, Westen, Schals, Tücher, Pullover, Hüte, Fäustlinge und Mützen für Neugeborene sowie Tagesdecken an. Überall wo sie hin ging, nahm sie sich ein Projekt mit, besonders dann, wenn sie nur still sitzen und zuhören musste.
Es war wie zu College-Zeiten: Sobald Janes Hände beschäftigt waren, blieb sie mit ihren Gedanken im Hier und Jetzt.
Es schien ihr auch so, dass sie ein Teil eines nationalen Wiederauflebens längst vergessener Handfertigkeiten, wie zum Beispiel des Strickens war. Die Vorstellung der strickenden, alten Omas schien sich aufzulösen und das Handwerk an sich immer mehr in den Vordergrund zu rücken.
Der „Craft Yarn Council“ (Rat für Garnhandwerkszunft) berichtete, dass ein Drittel der Frauen zwischen 25 und 35 Jahren stricken oder häkeln. Sogar Männer und Schulkinder konnte man mit einer hohen Beteiligung entdecken.
Stricken ist mehr als Meditation
Im April 2015 rief der Rat eine „Stitch Away Stress“ Kampagne (Näh/Stopf/Stich den Stress weg) im Zuge des „National Stress Awareness Month“ (nationaler Monat des Stressbewusstseins) ins Leben.
Dr. Herbert Benson, ein Wegbereiter der Gedanken- und Körpermedizin und Autor des Buches „The Relaxation Response“, sagte, dass die wiederholenden Bewegungen bei der Näharbeit einen entspannten Zustand ähnlich dem von Meditation und Yoga hervorrufen.
Zusätzlich zum ursprünglichen Lernprozess fördert Stricken eine niedrige Herzfrequenz und einen geringeren Blutdruck. Darüber hinaus reduziert sich die Anzahl der Stresshormone Cortisol im Blut.
Anders als bei der Meditation, erhält man aus handwerklichen Aktivitäten noch greifbare und oftmals nützliche Produkte, welche das Selbstwertgefühl verbessern.
Jane Brody speichert sich zum Beispiel Fotos von ihren Werken auf ihr Handy und kann sie somit jederzeit abrufen, wenn sie sie als Aufmunterung braucht.
Seit den 1990er Jahren befragte der Rat Abertausende von strickenden sowie häkelnden Menschen, die einen regelmäßigen Stressabbau und kreative Erfüllung als Hauptvorteile ihrer Aktivitäten registrierten. Unter ihnen auch ein Vater einer zu früh auf die Welt gekommenen Tochter.
Er berichtete, dass ihn während des 5-wöchigen Aufenthalts auf der Baby-Intensivstation das Stricken von Frühchenmützen eine Aufgabe gegeben hat und er sich damit nicht mehr so hilflos fühlte.
Das Stricken wurde für ihn zu einem Hobby, welches ihm half sich vom Stress auf Arbeit zu befreien und Ordnung in einen hektischen Tag zu bringen. Dieser Prozess half ihm ebenfalls Platz und Zeit in seinem Kopf zu schaffen, um Probleme lösen zu können.
Stricken sogar als Therapieform
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Eine Mail von der Garn Company Red Heart mit dem Titel „Gesundheitliche Vorteile von Häkeln und Stricken“ hat Jane Brody dazu veranlasst, eigene Forschungen darüber anzustellen, was man noch alles über die Vorteile des Strickens weiß.
Ihre Recherche ergab, dass es über den Aspekt der Belohnung, Stress und Angst mit kreativer Erfüllung zu ersetzen, hinaus geht.
Ein Beispiel ist Karen Zila Hayes, Lebenscoach in Toronto. Sie bietet Strick-Therapieprogramme an, welche das Stricken als Therapieform beinhalten, um Raucher zu helfen, sich von ihrer Sucht zu befreien.
Aber auch in Situationen, wie beim Erhalt der Nachricht an Krebs erkrankt zu sein oder dass ein Familienmitglied an einer schweren Krankheit leidet, sollen die speziellen Strick-Therapieprogramme helfen, das Erlebte besser zu verarbeiten.
Schulen und Gefängnisse, welche handwerkliche Programme anbieten, berichten, dass diese Aktivitäten einen beruhigenden Effekt bewirken und soziale Fähigkeiten stärken. Und außerdem verbessern komplexe Projekte und das Folgen der Anleitungen die mathematischen Fähigkeiten von Kindern.
Hilft auch bei Gewichtsproblemen
Manche Menschen sind sogar der Meinung, dass die Handarbeit ihnen hilft ihr Gewicht zu kontrollieren. Genau wie bei Rauchern, die während des Strickens nicht rauchen, greifen auch sie zu weniger Snacks.
Jane Brody selbst fand, dass ihre Handarbeit mit dem Garn ihr geholfen hat, ihre von Arthritis befallenen Hände, beweglicher zu machen. Eine Frau wurde nach der Diagnose einer autoimmunen Krankheit, welche starke Handschmerzen nach sich zieht, dazu ermutigt zu Stricken und zu Häkeln. Sie berichtet, dass ihre Hände mittlerweile viel weniger steif und schmerzhaft sind.
Eine Studie der University of British Columbia aus dem Jahre 2009, welche mit 38 Frauen mit Essstörungen durchgeführt wurde, besagt, dass das Erlernen von Stricken zu enormen Fortschritten der Patienten geführt hat. 74 Prozent der Frauen berichteten, dass diese Art von Aktivität ihre Ängste vermindert und sie davon abhält ständig an ihr Problem der Essstörung zu denken.
Schmerzreduzierung
Betsan Corkhill, eine Wellness-Trainerin aus England und Autorin des Buches „Knit for Health & Wellness“ (Stricken für die Gesundheit & Wellness), richtete die Website stitchlinks.com ein, um den Wert des therapeutischen Strickens zu erforschen.
Unter den zahlreichen Befragten sagten 54 Prozent der klinisch depressiven Personen, dass Stricken sie glücklich bis hin zu sehr glücklich mache. In einer Studie mit 60 selbst ausgesuchten Personen mit chronischen Schmerzen, berichteten Betsan Corkhill und ihre Kollegen, dass das Stricken ihnen ermöglichte ihren Fokus zu bündeln und somit ihr Bewusstsein für die Schmerzen zu reduzieren.
Sie vermutet, dass das Gehirn sich nur soweit auf einen Prozess konzentrieren kann, dass Aktivitäten wie Stricken und Nähen, es für das Gehirn schwieriger machen Schmerzsignale wahrzunehmen.
Die wohl am spannendste Forschungsarbeit ist jedoch diese, welche darauf hinweist, dass Handfertigkeiten, wie Stricken und Häkeln, verhindern, dass die Gehirnfunktionen im Alter schneller nachlassen.
Stricken bis ins hohe Alter
In einer Studie von 2011 interviewten Forscher unter der Leitung von Dr. Yonas E. Geda (Psychiater in der Mayo Clinic in Rochester, Miami) eine zufällige Auswahl aus 1.321 Personen im Alter zwischen 70 und 89 Jahren. Die meisten von ihnen waren geistig normal und integrierten im späten Alter geistige Aktivitäten.
In diesem Zuge fand man heraus, dass Menschen welche sich mit Handfertigkeiten wie Stricken und Häkeln beschäftigen, ein verringertes Risiko für geistige Schäden wie Gedächtnisverlust haben.
Obwohl es möglich ist, dass nur kognitiv gesunde Menschen solche Aktivitäten verfolgen, zeigten sich keine ähnlichen Vorteile bei denjenigen, die Zeitungen und Magazine lasen oder Musik spielten.
Die Forscher vermuten, dass handwerkliche Aktivitäten die Entwicklung der Nervenbahnen im Gehirn unterstützen und so die geistige Grundgesundheit fördern.
Zur Unterstützung dieser Aussage demonstrierten Denise C. Park und ihre Kollegen mit einer Studie von 2014 der Universität Texas in Dallas, dass das Erlernen von Steppen oder digitaler Fotografie die Gedächtnisfunktion bei älteren Menschen verbesserte.
Diejenigen, welche sich an weniger intellektuell, herausfordernden Aktivitäten beteiligten, egal ob in der Gruppe oder allein, zeigten keine solchen Verbesserungen.
Da kontinuierliche soziale Kontakte die Gesundheit und Langlebigkeit fördern, könnten Menschen mit dem Wunsch einer Gesundheitssteigerung durch Handfertigkeiten einer gleichdenkenden Gruppe beitreten.
Jane Brody hat für sich selbst entschieden, keine einzige Woche in ihrer Strickgruppe verpassen zu wollen.
Photos: pixabay.com
Quelle: well.blogs.nytimes.com
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